Rechtstipp des Monats

dfa2018

Rechts-Tipp / April 2018:

Zuweisung eines 170 km entfernten Arbeitsplatzes unwirksam

Nimmt der Arbeitgeber eine Kündigung zurück und weist den Mitarbeiter an, am nächsten Tag an einem 170 km entfernten Ort zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen, muss der Mitarbeiter dieser Weisung nicht Folge leisten.

Im vorliegenden Fall des Landesarbeitsgerichtes Berlin-Brandenburg (vom 17.11.2017, Az.: 2 Sa 965/17) hatte ein Arbeitnehmer gegen eine Kündigung Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhoben. Im Gerichtstermin nahm der Arbeitgeber die Kündigung zurück und forderte den Arbeitnehmer auf, am nächsten Morgen in einer 170 km entfernten Niederlassung zu erscheinen und dort zu arbeiten.

Der Arbeitsvertrag beinhaltete eine übliche Versetzungsklausel, wonach der Arbeitnehmer entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten mit einer anderen, gleichwertigen Arbeit betraut und vorübergehend an einem anderen Ort, auch bei einem Konkurrenzunternehmen eingesetzt werden kann.

Dieser Weisung kam der Arbeitnehmer nicht nach und erschien nicht zur Arbeit. Nachdem er mehrere Abmahnungen erhalten hatte, wurde ihm erneut gekündigt. Auch hiergegen reichte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Weisung rechtsmissbräuchlich ist. Die Versetzung sei als Disziplinierung zu verstehen und habe keine betriebliche Notwendigkeit. Die lange Pendelzeit von drei Stunden und 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sei daher als unzumutbar anzusehen, da entgegenstehende wichtige betriebliche Gründe nicht ersichtlich seien. Auch habe der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit gegeben, seine persönlichen Verhältnisse auf den neuen Arbeitsort umzustellen.

Nach der neuesten Rechtsprechung eines Senates des Bundesarbeitsgerichtes ist der Arbeitnehmer nicht an eine Weisung gebunden, die die Grenzen des billigen Ermessens nicht wahrt. Bis zu dieser Entscheidung vertrat das Bundesarbeitsgericht einhellig die Auffassung, der Arbeitnehmer sei bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung verpflichtet, auch unbillige Anweisungen hinzunehmen und arbeiten zu gehen.
Da zwei Senate des Bundesarbeitsgerichtes unterschiedlicher Auffassung sind, wird diese Streitfrage nun vom großen Senat des Bundesarbeitsgerichtes zu entscheiden sein.

Fazit: Unabhängig von dieser Entscheidung ist es weiterhin hoch riskant, einer Weisung, die für unwirksam erachtet wird, nicht Folge zu leisten. Es besteht die Gefahr, dass das Arbeitsgericht die Weisung für wirksam erachtet oder doch die bisherige Rechtsprechung beibehalten bleibt, wonach einer unwirksamen Weisung zunächst Folge zu leisten ist und der Arbeitnehmer die Weisung durch eine entsprechende Klage beim Arbeitsgericht überprüfen lassen muss.

Es kann daher Arbeitnehmern nur angeraten werden, Weisungen in aller Regel Folge zu leisten und ggf. gegen die Weisung beim Arbeitsgericht zu klagen.

[Detailinformationen: RA Thomas Börger, Fachanwalt für Arbeitsrecht & Familienrecht, Tel. (0351) 80 71 8-10, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!] www.dresdner-fachanwaelte.de

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Rechts-Tipp / März 2018

Grippeschutzimpfung durch Betriebsarzt – Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers bei Impfschaden?

Führt eine selbständige Betriebsärztin im Betrieb eine Grippeschutzimpfung als Maßnahme der allgemeinen Gesundheitsvorsorge durch, haftet der Arbeitgeber nicht für einen möglichen Impfschaden. Der Behandlungsvertrag kommt zwischen Arzt und Arbeitnehmer zustande.

Dies hat das Bundesarbeitsgericht in seiner am 21.12.2017 veröffentlichten Entscheidung aus dem Jahre 2016 bezüglich der Haftung des Arbeitgebers bei Impfungen am Arbeitsplatz entschieden.

Begründet hat das Bundesarbeitsgericht dies in seinem Urteil vom 06.06.2016 (Az.: 9 Sa 11/16) in nachvollziehbarer Art und Weise damit, dass zwischen der Arbeitnehmerin und dem beklagten Arbeitgeber kein Behandlungsvertrag zustande kam. Der Arbeitgeber kann damit keine Pflichten aus einem Solchen mit der Arbeitnehmerin verletzt haben. Ein Behandlungsvertrag kann nur zwischen dem behandelnden Arzt und dem jeweiligen Arbeitnehmer, nicht aber zwischen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber aufgrund der bloßen Behandlung/Impfung während der Arbeitszeit, zustande kommen.
Der Behandlungsvertrag als Unterfall des Dienstvertrages (seit dem Jahr 2013 durch das Patientenrechtegesetz in den §§ 630 a ff. geregelt) kommt in aller Regel zwischen dem Patienten und dem Behandler zu Stande, in dem sich der Patient in die Behandlung begibt und mit dieser einverstanden ist und der Behandelnde die Behandlung übernimmt.

Fazit: Insofern ist zu konstatieren, dass auch bei vom Arbeitgeber ermöglichten Impfungen während der Arbeitszeit der Behandlungsvertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem jeweiligen Arzt zustande kommt, gleich ob dieser ein Betriebsarzt ist und die Impfung unter Umständen während der Arbeitszeit erfolgt.

[Detailinformationen: RA Carsten Fleischer, Tätigkeitsschwerpunkt Arbeitsrecht, Tel. (0351) 80 71 8-80, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!] www.dresdner-fachanwaelte.de

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Rechts-Tipp / Januar 2018:

Falsche Angaben durch Versicherungsmakler bei Vertragsschluss

Immer wieder sind falsche Angaben zu Gesundheitsfragen des Versicherers Anlass für Rechtsstreitigkeiten im Versicherungsfall, sei es in der Krankheitskosten- oder der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Versicherungsnehmer sollten daher immer auf die richtige Beantwortung der vor Vertragsschluss gestellten Gesundheitsfragen achten, auch wenn der Vertrag von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Falsche Angaben zu den Gesundheitsfragen des Versicherers im Versicherungsantrag können den Versicherer nämlich auch dann zur Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigen, wenn der Versicherungsnehmer den vermittelnden Makler zutreffend über seine Krankheitsgeschichte informiert, jener sie aber arglistig nicht entsprechend in den Antrag aufgenommen hat. So hat auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Urteil vom vergangenen Jahr (Az.: I-4 U 191/15) entschieden. Das Verhalten des Maklers kann dann nämlich dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Makler für den Versicherer erkennbar Verhandlungsgehilfe für den Versicherungsnehmer ist und derart auf diesen einwirkt, dass dieser gutgläubig eine unzutreffende Erklärung gegenüber dem Versicherer abgibt. Der Makler täuscht so den Versicherer mittelbar durch den gutgläubig unterschreibenden Versicherungsnehmer als "instrumentalisiertes Werkzeug".

Füllt also der Makler für den Versicherungsnehmer das Antragsformular aus und beantwortet dort die Fragen zu den Gesundheitsfragen für den Versicherungsnehmer, ist diesem immer anzuraten, das Formular vor der Unterschriftsleistung zu prüfen.

[Detailinformationen: RA Christian Setzpfandt Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Tel. (0351) 80 71 8-70, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!] www.dresdner-fachanwaelte.de

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Rechts-Tipp / Februar 2018

Minderjähriger ohne Fahrschein – Dresdner Verkehrsbetriebe dürfen kein „erhöhtes Beförderungsentgelt“ erheben

Die Situation dürfte insbesondere Eltern von schulpflichtigen Kindern bekannt vorkommen: Obwohl man seinem Kind zur Bewältigung des Schulweges eine Monatskarte gekauft bzw. das Geld zum Erwerb einer gültigen Fahrkarte dem Kind mitgegeben hat, wird der Nachwuchs bei einer Kontrolle ohne Fahrausweis erwischt. Mal wurde die Fahrkarte zu Hause liegen gelassen, ein anderes Mal wurde das Portemonnaie mit der Monatskarte in der Schule vergessen oder das zur Verfügung gestellte Geld schlichtweg anderweitig ausgegeben.

Bereits mehrfach haben wir an dieser Stelle beschrieben, wie sich die Rechtslage darstellt, wenn ein Minderjähriger ein öffentliches Verkehrsmittel nutzt, ohne dabei im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.

Das Wichtigste vorweg: Anders als bei einem volljährigen Kunden kann von Minderjährigen das sogenannte „erhöhte Beförderungsentgelt“ grundsätzlich nicht verlangt werden. Bei dieser Zahlung, die regelmäßig erhoben wird, wenn der Kunde bei einer Kontrolle keinen Fahrschein vorweisen kann, handelt es sich um eine in den Beförderungsbedingungen geregelte Vertragsstrafe. An dieser Stelle kommt Minderjährigen jedoch zugute, dass sie durch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) im Rechtsverkehr besonders geschützt werden. Ohne Einwilligung der Eltern können sie in beschränktem Umfang nur Rechtsgeschäfte abschließen, die für sie lediglich vorteilhaft sind. Nach § 107 BGB bedarf der Minderjährige „zu einer Willenserklärung durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters“. Im Interesse eines wirksamen Minderjährigenschutzes ist der Umfang der Einwilligung stets eng auszulegen.

Da der Beförderungsvertrag im Kleingedruckten die Pflicht zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgeltes für den Fall einer Schwarzfahrt vorsieht, handelt es sich jedoch für den Minderjährigen nicht mehr um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft, sodass die Wirksamkeit des Vertrages von der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter abhängt. Diese liegt jedoch grundsätzlich nicht vor. In aller Regel ist es so, dass die Eltern ihren Kindern entweder eine Fahrkarte oder den entsprechenden Geldbetrag zur Verfügung stellen, da sie wollen, dass ihr Kind das Verkehrsmittel ausschließlich mit einem gültigen Fahrausweis nutzt. Eine generelle Einwilligung der gesetzlichen Vertreter zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gilt nach der Rechtsprechung im Zweifel nicht für Schwarzfahrten des Minderjährigen.

Trotz dieser eindeutigen Rechtslage erheben die Dresdner Verkehrsbetriebe regelmäßig von Minderjährigen ein erhöhtes Beförderungsentgelt. Dabei spielt es keine Rolle, ob dabei der volle Betrag in Höhe von 60,00 Euro oder aufgrund einer sogenannten „Kulanzregelung“ lediglich ein Betrag in Höhe von 7,00 Euro eingefordert wird. Für den geltend gemachten Anspruch fehlt im vorliegenden Fall schlichtweg eine Rechtsgrundlage. Dennoch gehen die Verkehrsbetriebe zwischenzeitlich so weit, ihren vermeintlichen Anspruch gerichtlich geltend zu machen.

Fazit: Das Amtsgericht Dresden hat nunmehr in seinem Urteil vom 26.01.2018 (Az.: 101 C 4414/17) diesem Verhalten eine Absage erteilt und schließt sich der weit überwiegenden Rechtsprechung der Amtsgerichte zu dieser Problematik an. Ausdrücklich weist das Gericht in seinem Urteil darauf hin, dass seitens der Eltern nicht wirksam in die Vertragsstrafenregelung eingewilligt wurde und daher gegenüber dem Minderjährigen kein Anspruch auf die Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgeltes besteht.

Es bleibt zu hoffen, dass die Dresdner Verkehrsbetriebe wenigstens in Zukunft darauf verzichten, ihre unberechtigten Forderungen gegenüber ihren minderjährigen Fahrgästen einzutreiben und stattdessen darauf vertrauen, dass seitens der Eltern ausreichend auf ihre Kinder eingewirkt wird, die Busse und Bahnen mit gültigem Fahrausweis zu benutzen.

Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur für die zivilrechtliche Verantwortung von Minderjährigen gilt. Denjenigen, der absichtlich ohne Erwerb eines Fahrerscheins ein Verkehrsmittel nutzt, trifft ab dem 14. Lebensjahr zwar weiterhin keine zivilrechtliche Verantwortung. Beim Erreichen der Strafmündigkeit (betrifft Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren) kommt dann jedoch eine strafrechtliche Bewertung des Verhaltens in Betracht. Dies ist wichtig, da ab Vollendung des 14. Lebensjahres die Nutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels ohne gültigen Fahrausweis als Erschleichen von Leistungen gemäß § 265 a StGB strafbar sein kann.

[Detailinformationen: RA Andreas Holzer Tätigkeitsschwerpunkt Versicherungsrecht, Tel. (0351) 80 71 8-68, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!] www.dresdner-fachanwaelte.de